Was war das bitte für ein verrücktes Comic-Jahr? Ich wollte über viel mehr Titel (erneut) schreiben und deswegen gibt es dieses Jahr keine Top 5, sondern eine Top 8. Welche Comics haben mich 2023 am meisten beschäftigt und sind auch in deutscher Sprache im Jahr 2023 erschienen?
Erwähnenswert
Wie jedes Jahr hat es nicht jeder Comic in die Bestenliste geschafft, gehört aber dennoch empfohlen. Hier sind die Titel, die es bei mir nicht in die Liste geschafft haben – trotzdem darf und sollte man sie lesen:
- Saga 10
- Elle(s) 1
- Deadly Class 12
- Injustice das dritte Jahr
- Games – Auf den Spuren der Flüchtenden aus Afghanistan
- Mind Mgmt
Und jetzt kommt die Bestenliste – und ja, der Splitter Verlag hat richtig abgeliefert!
8. The last Ronin + IDW Collection Turtles
The Last Ronin & Collection 1
Sehr lange habe ich einen Blick auf die IDW Collection der Teenage Mutant Ninja Turtle geworfen. Den Ersten hatte ich bereits komplett gelesen und den Zweiten begonnen, ja sogar über einen Kauf hatte ich nachgedacht. Aber durch ein großes Glück bekommen wir diese Edition nun auch in deutscher Sprache.
Den Anfang hat The Last Ronin, Lost Years und die Splitter Collection (gleiche Größe wie die IDW Collection) gemacht. Während es bei den ersten beiden Geschichten um die Zeit nach bzw. auf den Weg hin zu nur noch einer mutierten Schildkröte beschreibt, geht es bei der Collection um die Anfangsphase und darüber hinaus.
Quasi der Kanon wird mit der Collection besprochen und gehört in jedes Regal eines Schildkröten-Fans 😜. Band 1 habe ich zu Weihnachten bekommen und bin fleißig am Lesen und genieße alles daran. Die Aufmachung, das Design und die vielen tollen Geschichten sind perfekt für Erstlesende, aber auch für Langzeit-Fans.
Besonders schön ist, dass es ein guter Startpunkt ist, inklusive „Origin“. Dazu diese geilen Titelbilder. Wer diese Serie nicht liebt, ist selbst schuld. Dieser 8. Platz ist vorrangig eins: Ein fettes Dankeschön an den Splitter Verlag, dass wir diese Comicserien lesen dürfen.
7. Carbon & Silizium
Review
Als die Ankündigung für einen neuen Comic von Mathieu Bablet kam, welcher für den Comic Shangri-La (Platz 4 meiner Topliste 2021) verantwortlich ist, war ich hellauf begeistert. Und ja, Carbon & Silizium würde ich höher einsortieren als Shangri-La – die Konkurrenz dieses Jahr war besser.
KI ist aktuell in aller Munde, das ist auch bei diesem Comic nicht anders. Es geht hier um die beiden KIs Carbon und Silizium. Sie erhalten einen Körper und eigene Regeln. Regeln, die den Maschinen aber auch ein Lebensende bescheren. Wir folgen beiden noch viele Jahre und erleben, wie sich die Welt und sie selbst sich verändern.
Die Geschichte ist dabei gar nicht so komplex, aber dafür gibt es viele relevante Überlegungen. Muss man KI abschalten können? Wer kontrolliert die KI? Das sind nur ein paar dieser Überlegungen, die nicht nur hier relevant sind. Dass mir diese Thematik liegt, sollte bekannt sein und löst weitere Faszination aus.
Für die Geschichte ist der Comic recht dick und man hat auch das Gefühl von Länge gegen Ende, aber es ist genau richtig. Die Optik ist für mich selbst ebenfalls genau richtig, das sieht definitiv nicht jede*r so. Ein kantiger Stil, der nicht immer ganz „sauber“ ist, muss man halt mögen. Ich finde, dass er auch gut zu der Welt passt. Bablet ist ein Garant und wird jederzeit wieder erworben.
6. Crossover
2
Vergangenes Jahr war Crossover noch auf Platz 3, diesmal rutscht Crossover sogar aus der Top 5. Die Gründe sind vielfältig, aber – erneut – viel mehr bei der Konkurrenz zu verorten. Crossover ist und bleibt nicht für jede Person unglaublich gut, man muss sich mit Comics auskennen, um einen solchen Platz zu verstehen.
Es gab ein sogenanntes Crossover. Helden und Schurken sind in die unsrige Welt gekommen und sorgen damit für Chaos. Eine Lösung wurde gefunden, aber diese scheint bei Weitem nicht mehr so gut zu sein. Ein Comicautor soll schuld sein, aber auch ein Comiczeichner. Tötet Donny Cates und Geoff Shaw!
Allein dass der Autor und der Zeichner in diesem zweiten Band „verantwortlich“ sind und weitere Comicschaffende auf der „roten“ Liste stehen, sind pure Fan-Momente. Und das endet nie. Überall sieht man Dinge und genießt die Show. Das macht Band 2 so gut, dass ich ein Dauergrinsen beim Lesen hatte. Der Nachteil? Kennt man sich in der Welt der Comics weniger aus, oder eben nicht in den US-Comics, steht man doof da.
Dieser Platz ist für uns Comic Nerds. Der Rest kann das nur bedingt verstehen und das ist auch kein Problem. Wenn ihr andere Tipps benötigt: Es gibt hier reichlich andere Titel, die deutlich einsteigerfreundlicher sind. Für alle Nerds: MUST-READ!
5. Little Monsters
1
Aus meiner großen Überzeugung, dass Jeff Lemire machen kann, was er will und es immer ausgezeichnet ist, ist ein wenig Skepsis geworden. Es gelingt nicht mehr so einfach. Auch wenn der Zeichner Dustin Nguyen heißt, war ich nicht komplett gehyped. Erst mal abwarten.
Kleine Kinder, die eigentlich hunderte Jahre alt sind und eine schwarz-weiße Optik, die durch kleine Highlights abgelöst wird, sind die Mischung, die hier geboten wird. Alles steckt noch in den – Achtung Wortwitz – Kinderschuhen und trotz allem fasziniert es. Woran es liegt? Gutes Storytelling.
Dabei wird nicht alles nur runter gerasselt, es werden Rückblenden eingewoben und dadurch entsteht ein immer besseres Bild. Aber das aller Verrücktestem daran ist, dass es weniger Punkte gibt, die man direkt benennen kann, es funktioniert und unterhält. Warum das konkret so ist und ob es so gut bleibt, kann ich gar nicht genau sagen.
Vielleicht war auch die Erwartung ein ausschlagender Grund. Die Weiterentwicklung von Nguyen ist hier ebenfalls ein wichtiger Grund. Das immer gleiche Gesicht ist nicht mehr ein so großes Problem und die etwas düsteren „Farben“ helfen auch zur Differenzierung. Ich bin sehr gespannt, was uns in der Serie noch erwartet.
4. The Department of Truth
3 & 4
Die ersten beiden Bände von The Department of Truth haben es noch in die erweiterte Liste geschafft, diesmal geht es in die Top 5. Für diese Platzierung ist der überragende 4. Band verantwortlich und ohne Band 3 wäre noch eine bessere Platzierung möglich gewesen. Worum geht es?
Das Department der Wahrheit – ein ähnlicher Begriff ist bereits aus 1984 bekannt – ist hier Dreh- und Angelpunkt. Die Wahrheit wird gebogen, und zwar wird in dieser Serie behauptet: wenn genügend Menschen an eine Verschwörung glauben, wird sie wahr – ein erschreckender Gedanke.
Diese Thematik ist schon sehr interessant, dass es im vierten Band um den Kalten Krieg, den Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus geht und ein weiteres Ministerium auftaucht, sind die Kirsche auf der genialen Geschichte. Damit ist vieles genau in die richtige Richtung gegangen.
Neben dem Autor James Tynion IV überzeugt aber auch der Zeichner Martin Simmonds. Das ist ganz große Comickunst. Nicht nur der Stil ist besonders, auffällig und gut, nein er ist auch noch die Faust aufs sprichwörtliche Auge. Das passt einfach und lässt einen in die Welt der Verschwörungen abtauchen.
3. Mit leeren Augen
Review
Die wohl größte Überraschung hat „Mit leeren Augen“ abgeliefert. Autor und Zeichner waren mir nicht bekannt. Die Geschichte klang interessant, aber auch nicht nach „Top“-listen Niveau. Und dann? Dann hat mich dieser Comic regelrecht weggeblasen.
Der Erste Weltkrieg ist im vollen Gange und fordert immer mehr Opfer. Einem Soldaten geht es ähnlich. Abgekämpft, hungrig und verwundet sucht er in einem Wald eine Pause oder sogar Rettung. Zwei Kinder finden den Mann. Sie bringen ihn zu einer Einrichtung, voller Kinder, genauer Waisenkindern. Und dann beginnt aus dieser Geschichte etwas anderes zu werden.
KONTRAST! Der Zeichenstil, die Titelseite und sogar der Start des Comics stehen im Kontrast zu allem, was sich dann entwickelt. Und das ist auch der Grund, warum es so gut funktioniert. Man wird regelrecht ins Staunen versetzt. Unschuld und Schuld wird getauscht und man kann sich kaum vorstellen, dass das wirklich passiert.
Da es sich um eine abgeschlossene Geschichte handelt, hat man es sehr leicht diesen Comic zu empfehlen und Menschen in die Hand zu drücken. Es ist ein toller Snack, der weiß, wie man ein perfektes Timing anwendet. Die Folge ist ein echter Höhepunkt, was jede*r Horrorfan gelesen haben sollte.
2. Schon gehört, was Ed Gein getan hat
Review
Ist es das „neue“ Genre? Ist es der verrückte Serienmörder? Sein Vorgehen? So richtig kann ich nicht richtig greifen, warum mich dieser Comic mit dem sperrigen Titel „Schon gehört, was Ed Gein getan hat“ so sehr unterhalten und begeistert hat. Vielleicht ist er schlicht einfach nur gut.
True Crime ist in aller Munde, egal in welcher Form. Und genau diesem Thema nimmt sich der Comic an. Es geht um die Kindheit und das Leben von Ed Gein. Es ist durch Leid geprägt, dabei soll es nicht um Mitleid, sondern um Verständnis gehen. Wie eigentlich bei jeder True Crime Story.
Eine Grundvoraussetzung für eine gute True Crime Story: Man sollte nicht zu viel von den Taten wissen. Dadurch werden Härte und das Vorgehen des Täters intensiver und überraschender. Ich kannte Ed Gein nicht. Solltet ihr seine Taten kennen, ist es vielleicht nicht mehr ganz so gut, aber ich denke noch immer eine spannende Geschichte mit Highlights.
Auch die Optik ist hervorragend und passt zu einer True Crime Geschichte. Man fühlt sich in die Zeit und in die Situation versetzt. Einziges Problem: wenn man die Taten verbildlicht sieht, läuft einem ein Schauer über den Rücken und man muss sich schütteln. Das ist widerlich.
1. The Many Deaths of Laila Starr
Review
Ja, das ist der einzige Platz, der kein Comic aus dem Splitter Verlag ist. Nicht selten fange ich Comics an und denke mir: Das könnte der Comic des Monats werden. Seltener denke ich ähnliches über Comic des Jahres. Diesmal hat es gestimmt, und dennoch war ich überrascht. Das hier ist so tief.
Fast noch verrückter: letztes Jahr habe ich über den besten Comic überhaupt nachgedacht. The Many Deaths of Laila Starr begibt sich (erneut) auf ähnliche Sphären. Jedes Jahr ein richtiges Highlight? Scheinbar ist, dass das neue normal. Wollte ich nur mal so gesagt haben 😀.
Wenn der Tod beschäftigungslos wird, sollte es ein Grund zur Freude sein, außer vielleicht für den Tod selbst. Der Grund, warum der Tod nicht mehr benötigt wird: Darius. Zu Beginn ein Kind, das eines Tages die Unsterblichkeit erfinden wird. Aber was heißt es, unsterblich zu sein? Ist das eine gute Idee?
Der Comic erzählt von Verlust, dem Umgang damit und warum Trauer wichtig ist. Trotz dieses tieftraurigen und ernsten Themas lässt sich der Comic leicht und locker lesen. Eine Kunst, die man Ram V hoch anrechnen muss. Das ist nicht so leicht, wie es klingt, aber es gelingt hier.
Mit diesem Comic wird das Thema Hoffnung gelehrt und vor allem wie wichtig das Leben ist. Verschwende es nicht und erfreue dich an den positiven Dingen. Darius wurde etwas Wichtiges genommen, aber nicht der Verlust war sein größter Verlust. Seine Trauer hat ihn geblendet und damit konnte er nicht mehr klar sehen. Das ist tiefgründig.
Es gibt nur wenige Comics, die mich mit einem so beeindruckenden Gefühl zurückgelassen haben. Und das ist am Ende allem geschuldet. Egal, ob es der Stil, die Kolorierung, das Thema, der Ton, die Struktur, das Tempo oder die Art der Erzählung ist. Das ist Wahnsinn!
Wollt ihr noch ein Beispiel? Beim Lesen meiner Zeilen kamen mir die Tränen, der Comic greift sehr tief ins emotionale Regal und zeigt auf, dass es manchmal mehr Ebenen gibt als nur die Offensichtlichen. Dabei eignet sich der Comic auch, um über das eigene Sein und das Leben zu sinnieren. Was gäbe es Wichtigeres zum Start eines neuen Jahres: Neues Jahr, neues Glück!
2 Gedanken zu “[Comic] Top 8 2023”
Da sind schon welche dabei, die ich nicht auf dem Schirm hatt. Werde ich nachholen. Danke für die Top 8!
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